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    Recht auf Wasser

Kostbare Resource

„Water“ – Wasser, sagt mein indischer Kollege und ein Lächeln breitet sich in seinem Gesicht aus als er das Bohrgestänge eine Umdrehung weiter drückt. Mit einem schmatzenden Geräusch ziehen wir es aus der Erde und er hat recht: Das geborgene Sediment ist nass und tropft klecksend aus dem Bohrkopf. Wir stehen in einem Feld von Guavenbäumen im südindischen Madurai und sind dabei eine Messstelle zu bauen, um den Grundwasserspiegel an dieser Stelle aufzuzeichnen. Ein schlammiger Stein fällt zurück ins gebohrte Loch und trifft mit einem hallenden „plomp“ auf die Wasseroberfläche. Der Moment Wasser zur erbohren hat etwas Archaisches und die Freude ist sichtbar: alle vier Gesichter unserer Gruppe strahlen. Zugegeben, wir haben nur 60 cm gebohrt. Trotzdem bewegt es uns tief in dieser Region, in der die Verfügbarkeit von dem lebenswichtigen Element Wasser saisonal und sozial oft eingeschränkt ist, auf die unterirdische Ressource zu stoßen.

Die Grundwassermessstelle hilft uns dabei, die Dynamiken im Wassereinzugsgebiet besser zu verstehen. Wie stark schwankt der Grundwasserspiegel übers Jahr hinweg? Wie viel Wasser versickert aus dem nebenliegenden Reservoir? Das sind wichtige Fragen für meine Kolleg*innen der DHAN (Development for Humane Action) Foundation. DHAN ist eine lokale NGO, die auf innovative Ideen und das Engagement junger Menschen aus der Region setzt. Neben zahlreichen Aktivitäten zur Förderung und Emanzipation von Menschen im ländlichen Raum beschäftigt sich die Organisation mit partizipativen Wassereinzugsgebietsmanagement. Ziel ist es, die Wasserversorgung, insbesondere für marginalisierte Gruppen nachhaltig zu verbessern. Zentrales Projekt ist dabei die Rehabilitation der traditionellen Bewässerungssysteme, die in Madurai, als auch in vielen anderen Teilen Südindiens und Sri Lankas zu finden sind.

Das Klima der Region ist definiert durch den Wechsel von Trockenzeit und Monsun. Schon vor 2000 Jahren haben die Menschen deshalb Bewässerungs- und Managementstrukturen entwickelt, um auch bei ausbleibendem Regen ihre Felder zu bestellen. Ein Netz aus kaskadenförmig verbundenen Reservoirs, sogenannten Tanks, zieht sich durch die Landschaft. Früher haben die Landwirt*innen das Management und die Instandhaltung der Tanks, Schleusen und Kanäle kollektiv übernommen und sich mit den Dörfern der stromauf- und abwärts liegenden Tanks abgesprochen. Die Kolonialisierung hat diese nachhaltige und selbstverwaltete Form des Wassermanagements verdrängt. Später konnten die Landwirt*innen elektrischer Pumpen zusätzlich tiefes Grundwasser für die Bewässerung nutzen und die Relevanz der Tanks nahm weiter ab. Seit etwa 20 Jahren bemüht sich die indische Zentralregierung gemeinsam mit lokalen NGO’s wie DHAN die Funktionsfähigkeit der Tanks wiederherzustellen. Da die Tanks das Regenwasser auffangen, können sie sowohl die Folgen von Dürren als auch von Starkregenereignissen mindern und die Klimabrasiliens der Region erhöhen. Außerdem entlasten sie die immer stärker strapazierten Grundwasserressourcen. DHAN’s Motivation geht noch über diese praktischen Aspekte hinaus: Eine gestärkte Beziehung der Menschen zu den Tanks und der Ressource Wasser trägt beispielsweise dazu bei, Wasserverschmutzung zu vermeiden. Ihr Ziel ist, ein ganzheitliches, nachhaltiges System zu schaffen und das Recht auf Wasser für die Menschen im ländlichen Raum Südindiens zur Realität zu machen.

Recht auf Wasser? Ja! Seit 2010 ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Versorgung laut UN ein Menschenrecht (UN General Assembly 2010). Obwohl unsere Erde theoretisch über genügend Wasserressourcen verfügt, um allen Pflanzen, Tieren und Menschen eine Lebensgrundlage zu bieten, ist die Wasserversorgung global nicht gesichert. Problematisch sind die Verteilung und der direkte Zugang zu Wasser. Das Vorkommen von Grundwasser und Oberflächenwasser richtet sich nach den klimatischen und geologischen Bedingungen, es gibt also Regionen in der Welt, in denen natürlicherweise Wasserknappheit herrscht, während es in anderen im Überfluss vorhanden ist. Diese natürliche Verteilung lässt sich nicht beeinflussen, sodass es umso wichtiger ist, mit den gegebenen Ressourcen nachhaltig und verantwortungsbewusst umzugehen. Oft werden die bestehenden Wasserspeicher jedoch übernutzt oder stark verschmutzt. Darüber hinaus wird der Zugang zu sauberem Trinkwasser auch durch soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen eingeschränkt. Weltweit haben etwa 2 Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Trinkwasser (UNICEF 2022). Die Klimakrise verschärft die bestehende Situation. Selbst kleine Temperatur- und Klimaveränderungen haben einen großen Einfluss auf die Wasserverfügbarkeit in verschiedenen Regionen der Erde (UNESCO, UN Water 2020). Nachhaltige und resiliente Wasserversorgungssysteme, wie die Tank-Kaskaden-Systeme Südindiens, können einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der globalen Wasserversorgung leisten. Unabdingbar ist jedoch eine funktionierende Wasseraufbereitung, die stark verschmutztes Wasser wieder nutzbar macht und Regulierungen, die verhindern, dass Abwasser ungeklärt in die Natur eingeleitet werden.

Text: Kristina Gumgowski
Bild: anttoniu@iStock

Links & Infos

Möchtest du wissen, wie die Wasserversorgung bei uns Deutschland funktioniert? Wie beeinflusst die Klimakrise den Zugang zu Wasser? Welchen Herausforderungen werden wir uns stellen müssen? Einige Antworten findest du hier:

Umweltbundesamt: Wasserwirtschaft in Deutschland - Grundlagen, Belastungen, Maßnahmen

Umweltbundesamt: Trockenheit in Deutschland – Fragen und Antworten

Deutscher Wetterdienst – Bodenfeuchte Viewer

Potsdam Institut für Klimaforschung – Klimafolgen online

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