• Ernährunssouvärenität

Ein kleiner aber feiner Unterschied

Immer mehr Menschen auf der Welt hungern wieder. Kein Wunder angesichts der vielen Krisen und Konflikte? Nicht ganz, denn die Zahl hungernder Menschen steigt nicht etwa erst seit der Corona-Pandemie, sondern schon seit dem Jahr 2017 wieder an. Waren es damals noch etwa 573 Millionen Menschen, sind es 2022 bereits ca. 828 Millionen Hungernde und Mangelernährte. Das bedeutet, dass etwa jede*r 10. nicht genug zu Essen hat. (Welthungerhilfe)

Doch wie kann das sein? Schließlich sank die Zahl in den vorherigen Jahren stets und es hatte den Anschein, dass Ernährungssicherheit für alle Menschen auf der Erde bald die Realität sein würde – aber Halt! Was bedeutet denn eigentlich Ernährungssicherheit? Und warum gibt es auch Kritik an diesem Begriff? Was ist die Alternative?

Im folgendem Beitrag möchten wir zwei verschiedene Ideen vergleichen, die teilweise auf einander aufbauen und doch sehr unterschiedlich sind: Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität.

Ernährungssicherheit

Ernährungssicherheit bedeutet, dass „Menschen zu jeder Zeit physischen, sozialen und ökonomischen Zugang zu ausreichenden, sicheren und nahrhaften Lebensmitteln haben, die ihrer Ernährungsweise und Präferenzen angemessen sind.“ (bpb) Um das auch in die Tat umzusetzen, stützt sich die Idee der Ernährungssicherheit auf 4 Säulen.

Die Säulen

  • Säule 1: Verfügbarkeit 
    Steht genug Nahrung zur Verfügung?
  • Säule 2: Zugang
    Können sich alle Menschen die Lebensmittel leisten und sie einfach bekommen?
  • Säule 3: Nutzung
    Wie nährstoffreich ist das Essen am Ende? 
  • Säule 4: Stabilität
    Ist die Produktion und der Handel mit Lebensmitteln auch in Krisenzeiten stabil?

Ernährungssouveränität

Ernährungssouveränität ist „das Recht aller Menschen auf gesunde und kulturell angemessene Lebensmittel, die ökologisch und nachhaltig angebaut wurden; und das Recht ihre eigenen Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme selber zu gestalten.“ (Nyéléni) Unterschiede zur Idee der Ernährungssicherheit werden auch in den 6 Säulen der Ernährungssouveränität deutlich. 

Die Säulen

  • Säule 1: Fokus auf Menschen
    Steht der Mensch im Mittelpunkt?
  • Säule 2: Respekt für Produzent*innen
    Wird die Arbeit von Kleinbäuer*innen unterstützt?
  • Säule 3: Ernährungssysteme lokal denken
    Können Produzent*innen und Verbraucher*innen eigenständig entscheiden?
  • Säule 4: Zugang zu Ressourcen
    Können Produzent*innen frei auf Land, Wasser, Saatgut etc. zugreifen? 
  • Säule 5: Wissen teilen
    Können Wissen und Fertigkeiten über Lebensmittelproduktion frei geteilt werden?
  • Säule 6: Umwelt- und Naturschonend
    Ist die Produktion von Lebensmitteln umwelt-, natur- und klimafreundlich?

Die Ernährungssouveränität lässt sich als eine Antwort auf die Ernährungssicherheit betrachten. Daher gilt: Beide Ideen widersprechen sich nicht. Vielmehr versucht La Via Campesina einen Ansatz zu liefern, mit dessen Hilfe Ernährungssicherheit auch wirklich in die Tat umgesetzt wird. Denn die Ernährungssicherheit lässt die Frage offen, wie Lebensmittel in Zukunft produziert und verteilt werden sollen. Kurz gesagt: Dann geht es vor allem darum viel Lebensmittel zu produzieren – und das machen häufig große Konzerne mit langen Lieferketten und auf Kosten der Umwelt.

Klimakrise, Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit und auch die steigende Zahl hungernder Menschen auf der Welt (während woanders Lebensmittel weggeschmissen werden) machen aber deutlich: Das ist nicht die Lösung! Ernährungssouveränität hilft uns gemeinsam mit Kleinbäuer*innen Lösungen zu finden, die Klima und Umwelt schonen und gleichzeitig die Menschen im Blick haben – ganz ohne Agrarindustrie. Klingt unrealistisch? Ist es aber nicht! Denn schon jetzt ernähren kleinbäuerliche Betriebe etwa 70% der Weltbevölkerung. (La Via Campesina)

Text: Steffen Wolf
Bild: elenabs@iStock

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