Neue Studie zeigt: Glyphosat wirkt toxisch in niedrigsten Dosierungen

28.09.2015

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Verbände-Bündnis bekräftigt Forderungen nach Glyphosatverbot und Reform des Pflanzenschutzsystems

Gemeinsame Pressemitteilung der Agrar Koordination, Slow Food und der Kampagne "Ackergifte? Nein Danke!", 28.9.2015

Eine Ende August veröffentlichte Studie eines internationalen Wissenschaftlerteams offenbart, dass Glyphosat toxisch wirkt in Konzentrationen, die 100 000-fach geringer sind als der vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlene Grenzwert für die zulässige tägliche Aufnahmemenge von Glyphosat. Die Forscher hatten Leber- und Nierenzellen von Ratten untersucht, die 2 Jahre lang Roundup in niedrigsten Dosierungen – 4 Nanogramm pro Kilo Körpergewicht – im Trinkwasser erhielten. Die Toxikologin Dr. Anita Schwaier hält die Studie für bahnbrechend, weil ein neuer, besonders problematischer Wirkmechanismus erkannt worden sei. „Glyphosat bewirkt Störungen bei der Ablesung des Erbguts, sogenannte epigenetische Veränderungen, die nicht reversibel sind und auf nachfolgende Generationen übertragen werden können. Dieser Wirkungsmechanismus ist eine Erklärung für die Vielzahl der Erkrankungen, die beim Menschen beschrieben wurden, einschließlich Missbildungen und Krebs“, erklärt Schwaier, die die Studie des internationalen Wissenschaftlerteams ausgewertet hat. Das Fazit der Toxikologin: „Diese Studie dürfte das Ende von Glyphosat zumindest in Europa besiegeln“. Schwaier zufolge beweist die Studie, dass Glyphosat zur Gruppe der endokrinen Disruptoren, den hormonartig wirkenden Substanzen gehört, deren Verbot nach EU-Recht jetzt bevorsteht. So wurden in der Studie bei den Versuchstieren auch Veränderungen im Hormonspiegel, unter anderem bei den für die Fortpflanzung wichtigen Hormonen Testosteron und Östradiol, registriert. Außerdem traten Veränderungen von Leber- und Nierenzellen sowie Funktionsstörungen dieser Organe auf. Schwaier weist die Vermutung des Bundesinstituts für Risikobewertung, dass möglicherweise nicht Glyphosat, sondern Beistoffe des Pestizids Roundup die toxischen Wirkungen ausgelöst haben könnten, zurück. „Eine Eigenwirkung der Hilfsstoffe auf das epigenetische System ist sehr unwahrscheinlich“, so Schwaier.

Auch die Agrar Koordination, Slow Food und die Kampagne „Ackergifte? Nein Danke!“ bekräftigen vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse ihre Forderung nach einem Verbot von Glyphosat. „Es ist höchste Zeit, dass die EU-Kommission Glyphosat vom Markt nimmt! Die kürzlich bekanntgegebene Verlängerung der Zulassung für Glyphosat bis Ende Juni 2016 ist angesichts der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht nachvollziehbar. Die Entscheidungsträger missachten damit das Vorsorgeprinzip und ihre Verpflichtung, die Menschen vor toxischen Chemikalien zu schützen“, kritisiert Julia Sievers-Langer, Leiterin einer Glyphosat-Kampagne der Agrar Koordination.

„Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist verpflichtet, alle Erkenntnisse und Studien zur Einschätzung von Glyphosat zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass die der Weltgesundheitsorganisation WHO unterstellte internationale Krebsforschungsagentur IARC Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend einstuft, hätte eigentlich zu einem sofortigen Moratorium des Herbizids führen müssen. Doch die zuständigen Behörden erwecken leider den Eindruck, als hätten sie sich dem Lobbydruck der Pestizidindustrie unterworfen“, so Dr. Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V.

Auf Grund der IARC-Einstufung von Glyphosat ist ein Glyphosatverbot aus Sicht vieler Experten zwingend notwendig. Ein Bündnis von 12 Nichtregierungsorganisationen richtet darüber hinaus in einem heute veröffentlichten Positionspapier umfassende Forderungen an die Bundesregierung. Sie rufen dazu auf, die Bevölkerung durch ein Bündel an Maßnahmen besser vor Glyphosat und anderen Pestiziden zu schützen. „Der Fall Glyphosat offenbart grundlegende Defizite im System der Zulassung und Anwendung von Pestiziden. Wir fordern tiefgreifende Reformen des Zulassungssystems und eine verstärkte politische Förderung nicht-chemischer Pflanzenschutzverfahren“, erläutert Sievers-Langer, die Koordinatorin der gemeinsamen Verbändepositionierung.

 

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